Die Vielfalt Westkanadas Westkanada - Kanada Wohnmobil

Die Vielfalt Westkanadas
Beitrag zum Textwettbewerb 2019
Autorin: Sarah Richter

Die Vielfalt Westkanadas mit dem Camper entdecken

Lasset das Abenteuer beginnen. Endlich ist es soweit! Bereits zu Weihnachten 2018 haben wir uns einen unserer größten Wünsche erfüllt – die dreiwöchige Reise im Westen Kanadas ist gebucht. Das kollektive Wir besteht in unserem Bericht aus Maik, 27 und Sarah, 25. Als wir ein gutes halbes Jahr später dann mit unseren gepackten Koffern losziehen, können wir unser Glück immer noch nicht ganz fassen. An einem warmen Tag im Juni starten wir am frühen Vormittag mit dem Zug aus Münster und erreichen den Düsseldorfer Flughafen gegen Mittag. Gepaart mit unserer grenzenlosen Vorfreude, laufen wir dort zu unserer Belustigung direkt einem weiteren Paar mit Ziel Vancouver in die Arme. Mit dem roten Peyto Rucksack ausgestattet, sind sie unmittelbar als weitere Kundschaft von SK Touristik enttarnt.

Wir fliegen zunächst nur eine gute halbe Stunde zum Flughafen nach Amsterdam, ein angenehmer Beginn über den Wolken. Dann heißt es allerdings nochmals warten, bis wir in den großen Flieger steigen. Die neuneinhalb Stunden im Flugzeug sind von unseren Erwartungen und Spannungen gefüllt. Bei guter Sicht erhaschen wir gegen Mitte des Flugs einen Blick auf das unter uns liegende Grönland – eine passende Einstimmung auf die kommenden Naturschönheiten. Insgesamt kommt uns die Zeit über den Wolken gar nicht so lang vor, das Entertainment Programm erfüllt seinen Zweck und wir fühlen uns ganz gut unterhalten.

Morgens in der münster'schen Heimat aufgebrochen und nachmittags nach knapp 8000 Flugkilometern, sowie einer Atlantiküberquerung in Vancouver gelandet. Die Zeitverschiebung von 9 Stunden nach hinten macht es möglich! Vor Ort geht es per Transfer in die Innenstadt zum Suite Hotel Rosedale on Robson. Obwohl es für uns laut deutscher Zeit bereits vier Uhr nachts ist, wollen wir den Jetlag überlisten und machen uns also auf, um einen ersten Eindruck von der Umgebung zu bekommen. Wir laufen los Richtung Gastown. Das Timing meint es ausgesprochen gut mit uns und wir erreichen die berühmte, mit einer Dampfmaschine betriebene Standuhr zur vollen Stunde, es ertönt eine Melodie und ein schriller Pfeifenton. Was eine nette Begrüßung! Anschließend befördert uns ein gläserner Aufzug in rund 170 Meter Höhe auf den Vancouver Lookout. Der Besuch dieser tollen Aussichtsplattform mit 360 Grad Blick erweist sich schnell als lohnenswert.

Den darauffolgenden Tag verbringen wir ebenfalls in Vancouver. Kaum ein Tag trennt uns zeitlich von unserem Alltag in der Fahrradstadt, doch eine Radtour durch den Stanley Park hat schon seinen ganz eigenen Charme und die heimische Promenade ist schließlich auch nicht von einem Fjord umgeben. Der neun Kilometer lange Rundweg lädt geradezu zum Laufen und Radfahren ein. Dort machen wir also öfter Rast, lassen uns treiben und besichtigen so die Ansammlung von Totempfähle, die als Erinnerung für die ursprünglichen Bewohner dienen, können die Verbindung zwischen den Stadtteilen Vancouvers, die Lions Gate Bridge, in ihrer ganzen Pracht ausmachen, den kuriosen Siwash Rock sichten und die frische Brise vom Wasser einatmen. Dann trennen wir uns von den Rädern und treten einen längeren Fußmarsch mit Ziel Granville Island an. Bereits in Sichtweite, entscheiden wir uns in Höhe der English Bay für die Überfahrt mit einer der kleinen, urigen und zugleich preiswerten Fähren zu der Halbinsel. Das Einkaufs- und Kulturviertel begeistert uns mit riesigen Markthallen – vor allem in kulinarischer Hinsicht. Hier kann man einige Stunden lang an der grenzenlosen Auswahl an Ständen entlang schlendern und leckere, aus aller Welt stammende Produkte und Gerichte kosten. Nach einem weiteren Spaziergang durch die Stadt und einer kurzen Pause, machen wir uns abends auf zu einem klassischen Diner. Hier gibt es für uns Macaroni and Cheese. Als Standardangebot auf vielen nordamerikanischen Speisekarten angepriesen, überzeugen auch wir uns von dem käsigen Nudelgericht und fühlen uns dabei stark an Käsespätzle erinnert.

Nun heißt es für uns Abschiednehmen von der Großstadt und Aufbrechen in die Natur. Bereits um 07:45 am nächsten Morgen holt uns der Fraserway-Shuttle pünktlich vor dem Hotel ab, weitere Personen werden eingesammelt und dann fahren wir zu der außerhalb der Stadt gelegenen Vermietstation in Delta. Wie versprochen und oft beworben werden wir deutschsprachig durch die Einführung des Truck Campers geleitet. Nach einer reibungslosen und schnell verlaufenen Übernahme, in der alle offenen Fragen geklärt werden konnten, machen wir uns noch ziemlich wackelig und mit mäßiger Geschwindigkeit auf zum Fähranleger Nanaimo – Vancouver Island. Da wir die vorherige Fähre um wenige Augenblicke verpassen, können wir die erste kurze Fahrt in unserem Camper bei der Wartezeit auf das nächste Schiff revue passieren lassen. Anfangs gestaltet sich auch die Auffahrt auf die Fähre und das Abschätzen von Abständen als kleine Herausforderung, doch das wird zügig besser. Die Überfahrt selbst dauert zwei Stunden, auf Deck beobachten wir ein tolles Naturschauspiel. Während wir in der Sonne stehen, geht auf Vancouver Island starker Regen nieder, der uns ebenfalls erreicht, als wir dem Ufer näher kommen. Als erste Tat auf der Insel steuern wir eine einsame Ecke des Parkplatzes vor dem großen Walmart in Nanaimo an, um uns eine Grundausstattung an Lebensmitteln zuzulegen. Dafür haben wir uns bereits vor Reiseantritt eine Liste zusammengestellt und diese stellt sich vor Ort als sehr hilfreich heraus. Die erste Nacht im Truck Camper verbringen wir dann in der Nähe von Parksville auf dem Rathevor Beach Provincial Park. Ein Schild mit dem Hinweis, dass vorgestern ein Bär auf dem Campingplatz gesichtet wurde, löst bei uns zu diesem Zeitpunkt ein freudiges und mulmiges Gefühl gleichzeitig aus. In den nächsten Wochen und Tagen sollen allerdings wesentlich spannendere Begegnungen mit den Tieren folgen.

Wir erwachen gut erholt auf dem komfortablen Bett des RVs, stärken uns mit Speck und Rührei zum Frühstück und spazieren an dem angrenzenden Strand entlang. Dann steht uns eine Inselüberquerung zu der Pazifikseite von Vancouver Island bevor. Unterwegs bietet uns die Natur die ersten wahrhaft klischeemäßigen Szenarien, auch mit Road Constructions à la Nordamerika machen wir Bekanntschaft. Hier regeln statt Ampeln, Personen mit Stop and Go Schildern den Verkehr und informieren die Wartenden in ihren Fahrzeugen über die verbleibende Zeit. Im Pacific Rim Touristenzentrum erwerben wir den Jahres-Nationalparkpass, dieser ist mit rund 135 kanadischen Dollar nicht gerade preiswert. An dieser Stelle bietet sich ein kurzer Exkurs zu den kanadischen Visitor Centres an: informativ, reichlich Materialien, super ausgestattet, kostenloses WIFI, hilfsbereite und nette MitarbeiterInnen – unserer Meinung nach immer eine gute erste Anlaufstelle in einem neuen Ort. Von dort begeben wir zu dem Mussel Beach Wilderness Campground, nahe Ucluelet. Ganz einsam gelegen, geht es von der asphaltierten Straße den Rest des Weges eine knappe halbe Stunde über eine Schotterpiste zu dem Campingplatz. Die Anreise zu diesem Fleckchen Erde hat sich als absolut glänzend erwiesen. Rückblickend sehen wir Mussel Beach als unseren Favorit der insgesamt neun besuchten Campingplätze – wenngleich wir mit allen Übernachtungsmöglichkeiten bestens zufrieden waren. Mussel Beach bleibt uns als ganz besonders toll in Erinnerung. Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt und die Stellplätze liegen einfach genial. Wir stehen direkt am Pazifik, lediglich der Picknicktisch und die Feuerstelle trennen uns von dem Meer. Mit dem Rauschen der Wellen im Ohr einzuschlafen ist grandios. Als wir ankommen und uns die Platzinhaberin fragt, ob uns unterwegs auch Bären begegnet wären, müssen wir etwas enttäuscht verneinen. Doch auch vom Campingplatz aus seien einige Tiere regelmäßig zu beobachten. Und tatsächlich, als wir am nächsten Morgen beim Frühstück nebenbei Ausschau nach Bären halten, entdecken wir einen in der Ferne, er scheint am Waldrand auf dem Strand umherzuwandern. Nach diesem tollen Ereignis fahren wir nach Tofino zum Bear-Watching mit Adventure Tofino. Die Tour haben wir spontan ohne Probleme einen Tag vorher im Internet gebucht, wir wollten uns vor Ort Empfehlungen einholen und das Wetter abpassen. Mit dem Schlauchboot und eingepackt in einen wasserdichten Ganzkörperanzug führt uns der Guide mit nur zwei weiteren Teilnehmern an Bord um die kleinen Inseln vor Tofino. Die Bären kommen bei Ebbe aus dem Wald an den Strand, wenden Steine und suchen nach Nahrung in Form von kleinen Meerestieren. Wir erspähen insgesamt sieben Bären, eine Mutter mit zwei Jungtieren ist auch dabei gewesen. Auf dem Wasserweg kommen wir relativ nah an die majestätischen Tiere ran und können sie so sehr gut beobachten. Was für faszinierende Augenblicke sich uns gerade geboten haben – wir sind hin und weg! Auf dem Rückweg lässt sich sogar noch ein Weißkopfseeadler blicken. Diese bleibenden Eindrücke verarbeiten wir bei einem ersten Lagerfeuer, mit dem Strand unter unseren Füßen und einer frischen, salzigen Brise um unsere Haare wehend.

Frühstück im Freien mit Blick auf den Pazifik – was ein ausgezeichneter Start in den Tag. Ganz piano gehen wir im Anschluss die nähere Umgebung des Campingplatzes erkunden, sprich auf Steinen unterschiedlichster Größe den Strand entlang kraxeln und dabei ganz viele kleine Meeresbewohner entdecken. In dieser Umgebung lässt es sich bestens entspannen. Zum Abend hin entzünden wir dann erneut ein Lagerfeuer und bereiten dieses Mal auch unser Essen auf dem offenen Feuer zu. Nachdem wir den Tag über die wärmende Sonne zu Gesicht bekommen haben, schlafen wir heute mit dem Geräusch von prasselndem Regen auf dem Dach ein, total gemütlich. Um kurz nach sechs Uhr morgens beginnt unser schon letzter Tag auf Vancouver Island ziemlich früh. Trotz sorgfältiger Kalkulation und zeitlich passender Ankunft am Fährterminal, können wir mit unserem Camper leider nicht mehr auf die frühere Fähre, die Kapazitäten sind schon ohne uns ausgeschöpft. Also heißt es, ähnlich wie aus der Hinfahrt, zwei Stunden vor Ort warten. Die Überfahrt genießen wir dann auf dem Sonnendeck. Vom Fähranleger fahren wir über den außergewöhnlich schönen Sea-to-Sky-Highway nach Squamish einkaufen, die Vorräte auffüllen. Weiter führt uns die Straße inklusive toller Ausblicke nach Whistler. Ein Spaziergang durch das bekannte Skiörtchen bestätigt uns, dass dieses Örtchen auch im Sommer einen Ausflug wert ist. Es ist wieder Abend geworden und wir stehen für eine Nacht auf dem Nairn Falls Provincial Park Campground. Abermals inmitten einer herrlichen Landschaft gelegen, liefert uns zur Abwechslung eine tosender Fluss die Hintergrundmusik zum Einschlafen.

Zu einem echten Roadtrip gehört natürlich auch eine ziemlich lange Autofahrt mit offenen Fenstern und lauter Musik, die zum Mitsingen einlädt – check, erledigt. Nach einem ruhigen Start in den Tag nehmen wir zuallererst den 1,5 km langen Trail zu den nahegelegenen Nairn Falls. Gut gestärkt und bestens gelaunt nach dem morgendlichen Besuch eines Wasserfalls in der Früh, geht es auf unsere gut 6 ½ stündige Fahrt Richtung Clearwater und genauer zum Clearwater Lake Campground im Wells Gray Provincial Park. Vorbei an kontrastreicher Flora und Fauna gestalten sich auch die Temperaturen unterwegs sehr unterschiedlich. Zeitweise zeigt die Anzeige im Camper über 30 Grad. Die oftmals kurvigen Straßen und steilen Bergpässe bieten gewaltige Fernblicke über die Weite und darüber freut sich besonders der jeweilige Beifahrer. Wir überqueren einen prächtigen Fluss und dann verwandelt sich die asphaltierte Straße für die letzten Kilometer abermals in eine Schotterpiste, dadurch dauert die Fahrzeit dann wieder etwas länger. Wir erreichen erst am Abend unser Ziel. In abgeschiedener Wildnis angekommen, zeigt das Telefon auch kein Netz mehr an. Digital Detox vom feinsten. Allerdings werden wir auch von zahlreichen Mücken herzlich in Empfang genommen, etwas zu überschwänglich unserer Meinung nach.

Macht frische Luft wirklich schneller müde? Nach unserem ersten ganzen Tag am Clearwater Lake würden wir das definitiv bejahen. Auf dem Programm steht eine Kanufahrt auf dem See. Für 70 Dollar können wir uns für einen ganzen Tag ein Kanu samt Paddel ausleihen. Auch eine kurze Einweisung in die korrekte Handhabung darf nicht fehlen. Einen guten Fußmarsch oder eine kurze Fahrt mit dem Camper von der Ausleihe entfernt, dürfen wir uns eigenhändig ein Kanu aussuchen. Das war erst gar nicht so leicht auf den See zu bekommen, doch dann paddeln wird los. Der Clearwater Lake macht seinem Name alle Ehre: kristallblaues Wasser erstreckt sich unter uns. Und das umliegende Panorama ist traumhaft. Mit dem Blick auf die schneebedeckten Berge haben wir auf dem See das Gefühl hier ganz alleine unterwegs zu sein, es ist einfach unglaublich weitläufig. Am Seeufer entdecken wir immer wieder idyllische Anlegestellen. Dort bietet sich die optimale Gelegenheit für eine Pause samt Picknick, wir haben unseren kleinen Proviant allerdings schon auf dem See verspeist. Wir drehen eine im Verhältnis zu der Größe des Sees kleine Runde und kehren nach gut vier Stunden zurück. Gerade am Steg angekommen, gibt es einen ordentlichen Wolkenbruch. Vorheriges Donnergrollen in der Ferne hatte bereits einen Schauer angekündigt. Als wir im prasselnden Regen unser Kanu aus dem See hieven und klitschnass zum Camper eilen, sind wir doch sehr glücklich darüber, dass wir nicht schon auf dem See von oben nass geworden sind. Zurück auf unserem Stellplatz scheint hier noch die Sonne, wir lassen uns also bei einem Kniffelspiel draußen trocknen. Das Wetter präsentiert sich mal wieder als unvorhersehbar. Den Abend hören wir dann aber die ganze Zeit über Gewitter, mal fern und mal ganz nah.

Am nächsten Tag schlüpfen wir für den Osprey Lookout Loop in unsere Wanderschuhe. Der Pfad führt durch einen dichten Wald, wir treffen bis zu unserer Ankunft oben am Lookout keine anderen Menschen, es ist herrlich idyllisch. Dort werden wir für den Anstieg dann mit einer eindrucksvollen Sicht über die Landschaft belohnt. Unser Plan, danach einen Abstecher zu den Sticta Falls und der Dragon's Tongue – den Namen finde ich ziemlich genial, zurückzuführen auf Lavagestein – wird von nahendem Donnergrollen und Regen durchkreuzt. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben und so geht es nach einer kurzen Stärkung im Trockenen nochmal los. Dieser Pfad ist nicht so breit angelegt und wendet sich immer enger durch das Dickicht. Bis auf die fiesen Überfälle von Mücken haben uns die Trails gut gefallen.

Wow, die Hälfte unserer Nächte, die wir diesen Urlaub in unserem liebgewonnen Camper verbringen, ist bereits vorbei. Fazit für zwischendurch: Es ist noch viel schöner, als wir es uns vorstellen konnten. Wir sind gespannt auf die Zeit, die noch kommen mag. Auf unserem Rückweg aus dem Wells Gray Provinical Park machen wir einen Halt bei den Helmcken Falls, mit 141 Metern besitzt dieser Wasserfall eine beeindruckende Höhe. Die tolle Aussichtsplattform ermöglicht uneingeschränkte Sicht auf das prächtige Naturschauspiel. Da wir früh am Tag eintreffen, ist weder der Parkplatz noch die umliegende Gegend überlaufen. Anschließend führt unser Weg durch Clearwater, im hiesigen Wells Gray Visitor Centre nutzen wir das WIFI, um die Familie und Freunde in Deutschland zu kontaktieren und in Kurzform von den erlebten Abenteuern zu berichten. Nach einer weiteren Rast in dem beschaulichen Örtchen Valemount, stehen wir später am Fuße des höchsten Berges der kanadischen Rocky Mountains. Die 3954 Meter Höhe des Mount Robson reichen über unsere bildliche Vorstellungskraft hinaus. Wir verbringen die Nacht auf dem mit schneckenförmigen Straßen angelegten Robson Meadows Campground.

Wir lassen am folgenden Tag British Columbia hinter uns und sind nun in Alberta. Genauer gesagt in Jasper. Unsere Uhren müssen wir eine Stunde vorstellen, das bedeutet quasi etwas Annäherung an die Heimat – zumindest zeitzonenmäßig. Bei purem Sonnenschein fahren wir ganz gemächlich die Strecke von einer Dauer von 1 ½ Stunden. Im Gegensatz zu den Verhältnissen in der Heimat, kommt auch uns diese Entfernung in Kanada bereits wie ein Katzensprung vor. Nachdem unser erster Stopp für die Orientierung vor Ort abermals das Visitor Centre ist, entscheiden wir uns für einen Ausflug zu dem Annette-Lake. Zuerst umrunden wir den überschaubaren See zu Fuß und der Rundweg gibt wunderschöne Ausblicke über den See mit herrlichen Gebirgspanorama im Hintergrund frei. Dann heißt es für uns: Badesachen an und ab ins kühle, kristallklare Nass. Wobei kühl hier definitiv untertrieben ist. Von den Einheimischen wurde uns der See aufgrund der geringen Tiefe vorher noch als wärmster See der Region angepriesen, aber Gletscherwasser bleibt Gletscherwasser. Auf dem Strandabschnitt mit Sand können wir uns in der Sonne wieder aufwärmen, einfach überragend. Rund um Jasper begegnen uns hier immer wieder Wapitis, vergleichbar mit den deutschen Hirschkühen. Im Anschluss nutzen wir im Ortskern von Jasper einen Waschsalon und vertreiben uns die Wartezeit mit einem Besuch bei Tim Hortons. Nachdem wir die typisch kanadische Schnellrestaurantkette bei jeder noch so kleinen Ansiedlung von Häusern am Highway erspäht hatten, kommen wir nun endlich auch in den Genuss der köstlichen Donuts. Und der kulinarische Genuss sollte abends am Lagerfeuer mit Marshmallows weitergehen. Wir stehen auf dem Wapiti Campground.

Noch ziemlich müde, aber nach dem Frühstück immer noch hungrig, jetzt allerdings auf weitere Erlebnisse, fahren wir erneut in das vom Campingplatz 3 km entfernte Jasper. Wir suchen uns einen Fahrradverleih aus und schon geht es mit den geliehenen Mountainbikes auf die Piste – erstmal Richtung Lake Edith. Dort werden wir von einem Einheimischen mit einer Warnung begrüßt, direkt hinter uns steht nur wenige Meter entfernt ein trächtiges Wapitiweibchen. Hier sei Vorsicht geboten, da sie in diesem Umstand mitunter aggressiv werden können. Obwohl die Routen mitsamt der Einstufung des Schwierigkeitsgrads gut ausgeschildert und sichtbar sind, haben wir es geschafft uns zu verfahren. Davon sind wir beiden spätestens in dem Moment überzeugt, als wir einen so enormen Anstieg am Hang nur durch Schieben der Mountainbikes bewältigen können. Doch manchmal führen solche zufälligen Gegebenheiten einen auch zu einem atemberaubend schönen und total einsam gelegenen See – so geschehen in diesem Fall zumindest. Auch im Nachhinein gelang es uns allerdings nicht, den Namen für dieses Gewässer ausfindig zu machen. Noch beflügelt von dieser Besonderheit ist es dann passiert, der Vorderreifen von Maiks Mountainbike bleibt an einem großen Stein stecken, das Rad überschlägt und Maik fällt auf seine Schulter. Nach diesem hollywoodreifen Stunt ist der Schock zunächst groß, doch wir haben großes Glück: außer fiesen Schrammen an Armen und Gesicht, scheint alles heile zu sein. Das einzig Gute daran ist, dass wir wieder einmal an die Wichtigkeit eines Fahrradhelms erinnert werden und der Vorsatz, auch in der Heimat einen zu tragen, steht fest. Als wir wenig später die Wunden versorgen, kommen wir abermals in Kontakt mit der Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Einheimischen. Bis auf diesen blöden Zwischenfall hat uns die Tour super gut gefallen. Die Gegend eignet sich einfach hervorragend für Mountainbikes und auch wir als Anfänger auf diesem Gebiet kamen insgesamt gut zurecht. Am späten Nachmittag gelangen wir dann mit dem Camper zum Lake Pyramid, auch dieser See kann mehrere Badestellen und Sandstrand aufweisen. Da allerdings recht zeitnah dunkle Wolken aufziehen, schreiben wir hier nur noch Postkarten an unsere Liebsten und treten dann den Weg zum Campingplatz an.

Als wir wach werden, strahlt die Sonne bereits. Das tolle Wetter wollen wir ausnutzen! Da uns Lake Anette so gut gefallen hat, fahren wir direkt nochmal hin und springen hinein. Wer weiß schon wann sich uns wieder so eine fantastische Umgebung zum Baden bietet. Mittags geht es zu dem nur wenige Autominuten entfernten Maligne Canyon. Gut ausgeschildert und mit einem großen Parkplatz ausgestattet, zeigt sich schnell die imposante Kalksteinschlucht. Außerdem verfügt das Gebiet an der tiefen Schlucht entlang wieder einmal über eine gute Auswahl an verschiedenen Wanderwegen. Ein absolut lohnenswerter Ausflug – gerade wenn man schon in Jasper ist. Anschließend kehren wir eben dorthin zurück, um ein paar Souvenirs für die Daheimgebliebenen und uns zu besorgen, es läuft auf die typischen Magnete mit Bären, kanadischen Ahornsirup und olivgrüne Shirts mit Bergen, Wäldern und einheimischen Tieren hinaus. Abgesehen von Vancouver zu Beginn, gehen wir an diesem Abend außerdem das erste Mal auf unserem Roadtrip auswärts essen. Bei unserer Restaurantfindung schmachten wir vor allem jene Speisekarten an, die allerlei Pizzen präsentieren, es gibt nach etlichen Mahlzeiten vom Lagerfeuer also italienische Pizza in Jasper.

Wind und Regen peitschen nachts gegen den Camper, wir werden beide wach und haben großes Mitleid mit den Nachbarn neben uns, für die es im Zelt nun etwas ungemütlicher werden könnte. Maik flitzt noch mit Stirnlampe bewaffnet nach draußen, um unsere Strandtücher und Badesachen reinzuholen – die Hälfte davon hat der Wind bereits um unseren Camper verteilt. Das Wetter schlägt hier einfach sehr schnell um. Für unseren Start auf den Icefields Parkway am frühen Vormittag war von der stürmischen Nacht glücklicherweise nichts mehr zu bemerken. Oftmals als schönste Gebirgsstrecke Kanadas betitelt, hat der Icefields Parkway einige Erwartungen zu erfüllen. Und tatsächlich, eine atemberaubende Landschaft zieht sich an der gut 200 km langen Straße vorbei. Der Icefields Parkway verbindet den Jasper Nationalpark mit dem Banff Nationalpark. Hier haben wir nun die Qual der Wahl, es gibt unzählige Sehenswürdigkeiten entlang der Route und wir entscheiden uns letztendlich für einen Stopp an folgenden Attraktionen: Athabasca Falls, Sunwapta Falls, Columbia-Eisfeld (Athabasca-Gletscher), Mistaya Canyon, Peyto Lake. Allesamt sind absolut faszinierende Naturschauspiele. Die Beschilderung und die Anbindung an den Icefieds Parkway erleichtern diese Besuche enorm. So können wir auf den angrenzenden Parkplätzen halten und erreichen nach einem meist kurzen Fußweg die Besonderheiten. Die mächtigen Athabasca Falls bestechen nicht mit ihrer Höhe von 30 Metern, sondern vor allem mit der unvorstellbaren Kraft des wilden Wassers. Durch eine vorgelagerte runde Insel zeichnen sich hingegen die Sunwapta Falls aus, ein herrlicher Platz für eine Rast. Anschließend ist auch der Anblick des Athabasca Glaciers besonders spannend und der anhand von Schildern mit Jahreszahlen dargestellte Rückgang des Gletschers einfach schockierend. Wir gelangen zu Fuß an die untere Kante des Gletschers. Noch mit nachdenklichen Vorsätzen im Kopf erreichen wir den Mistaya Canyon. Hier führt ein ziemlich steiler Weg über eine Holzbrücke zu der verschlungenen Schlucht. Einen weiteren Halt legen wir bei dem Peyto Lake ein. Auf dem Weg begleiten uns doch einige Menschen, die ebenfalls die Aussichtsplattform oberhalb des Sees anstreben. Dort angekommen können wir beim nahezu unwirklich anmutenden Anblick der türkisblaue Farbe inmitten der malerischen Kulisse der Rocky Mountains alles andere um uns herum kurz vergessen. Wir kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Die Attraktionen waren alle gut besucht, doch es boten sich ziemlich unterschiedliche Szenarien. Grundsätzlich galt: je größer der Parkplatz, hier ist auch der Platz für die Busse zu berücksichtigen, desto größer war auch der Andrang der Touristen. Obwohl auch die Aussichtsplattform am Peyto Lake ziemlich gefüllt war, können wir den einzigartigen See als persönliches Highlight unserer Besuche am Icefields Parkway ausmachen. Den weniger stark besuchten Sehenswürdigkeiten gelang es jedoch ihre natürliche Schönheit insgesamt viel authentischer darzustellen. Weiterhin sehen wir heute noch einen Bären direkt am Straßenrand, faszinierende Wesen. Unser Plan einen Abstecher zum Lake Louise und Moraine Lake zu machen, wurde leider aufgrund des enormen Besucherandrangs und der fehlenden Parkmöglichkeiten durchkreuzt – für einen Shuttle sind wir an dem Tag auch schon zu spät dran. Ich bin im ersten Moment ziemlich enttäuscht, eines der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Kanadas nicht zu Gesicht zu bekommen, doch dann muss ich mir nur kurz die vielen wunderbaren Orte ins Gedächtnis rufen, die wir bereits besucht haben und empfinde keinerlei Frust, sondern grenzenlose Freude. Nun stehen wir auf dem Tunnel Mountain Campground Villa II. Auf dem Gelände flitzen viele der niedlichen Erdhörnchen umher. Und schon nach kurzem Aufenthalt können wir erahnen, weshalb alle sagen, dass Jasper beschaulicher und Banff hingegen touristischer ist.

Am nächsten Morgen haben wir mal wieder richtig ausgeschlafen, ganz wie sich das für einen Urlaub auch gehört. Danach geht es von unserem Campingplatz mit dem gut organisierten Bus Shuttle nach Banff. Um uns einen ersten Eindruck von dem Örtchen zu verschaffen, sind wir umher geschlendert. Dann spazieren wir am Bow River entlang zu dem schönen Surprise Corner Viewpoint. Hier haben wir eine tolle Aussicht auf das imposante Fairmont Banff Springs Hotel auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses. Als wir gegen Mittag Hunger verspüren, kommt uns der kleine Farmer Market mitten in Banff genau recht. Neben dem vielfältigen Angebot an lokalen Spezialitäten, gefällt uns die begleitende Live-Musik aus dem Pavillon im Park besonders gut. Hier herrscht eine sehr gemütliche Atmosphäre. Anschließend besuchen wir die Upper Hot Springs, dort erwartet uns ein großer 39 Grad warmer Open-Air-Pool mit Liegen im Außenbereich zum abkühlen. Für uns eine tolle Gelegenheit zum entspannen und währenddessen den Blick über die umliegende Berglandschaft schweifen zu lassen. Die natürliche, heiße Quelle wurde bereits 1883 entdeckt und verhalf zu der Gründung der Ortschaft Banff.

Der nur wenige Kilometer von Banff entfernte Lake Minnewanka ist heute unsere erste Station. Hier kann man eine Bootstour machen oder ein Kanu ausleihen, unsere Entscheidung fällt jedoch auf eine Wanderung, die uns am Seeufer entlang führen soll. Bei leichtem Regen marschieren wir los und der Himmel klart im Laufe der Zeit glücklicherweise noch auf. Der Weg führt uns zu einem wunderschönen Canyon. Der See und die Umgebung bieten eine fantastische Kulisse. Unterwegs begegnen wir immer wieder putzigen Streifenhörnchen. Am Vormittag herrscht hier noch wenig Betrieb, doch als wir einige Stunden später weiterfahren, wird es deutlich mehr. Anschließend machen wir uns zum Peter Lougheed Provincial Park auf, der Elkwood Campingplatz sollte planmäßig unsere letzte Adresse für die Übernachtungen in Kanada sein. Insgesamt wird es immer kälter, nun heißt es dicken Pullover statt luftigem Shirt anziehen. Unterwegs schauen wir bei dem Visitor Centre in Camore vorbei und lassen uns auch einen abermaligen Abstecher zu Tim Hortons nicht nehmen. Der Campinglatz ist herrlich ruhig, idyllisch und im dichten Wald gelegen. Bei der Einfahrt bietet sich uns eine eindrucksvolle Begegnung, diesmal mit einem Koyoten. Solch fesselnde Momente bleiben uns hoffentlich noch lange in Erinnerung. Abermals bereiten wir unser Abendessen auf dem offenen Feuer zu, diese dabei ausgestrahlte rustikale Gemütlichkeit werde ich in Deutschland definitiv vermissen. Nach etlichen gescheiterten Versuchen, klappt es bei mir an diesem Abend nun auch endlich mit dem Holzhacken.

Bei den leicht ungewöhnlichen Geräuschen außerhalb unseres Campers während fast der gesamten Nacht haben wir uns tatsächlich keine Gedanken gemacht. Die heruntergezogenen Verdunklungen beschränken unseren Blick nachts auf das Innere. Starker Regen – was könnte es auch sonst sein?! Nach ausgiebigem Schlaf, trifft uns dann die riesige Überraschung. Wir schauen raus und können es kaum glauben. Es hat geschneit und das nicht gerade wenig: eine Schneedecke von 10-15 cm bedeckt alles um uns herum. Auch den Camper. So lässt sich unser ausgefahrener Slide-Out aufgrund der oben gesammelten Schneemasse nicht mehr einfahren. Abhilfe schaffen erst eine vom Park Ranger ausgeliehene Leiter, ein Besenstiel und jede Menge Kraft in den Armen. Da wir nicht einschätzen können, ob der Schnee zeitnah schmilzt oder sogar noch mehr hinzukommt, fragen wir abermals den hilfsbereiten Park Ranger um Rat. Das könne man momentan nicht verlässlich sagen und die umliegenden Straßen werden vermutlich erst gegen Mittag freigeräumt, so seine Aussage. Bestärkt durch diese Annahme, schlüpfen wir in trockene Klamotten und fassen den Entschluss, dass wir nichts riskieren wollen und bereits heute näher an Calgary ranfahren. Wir haben großes Glück, dass uns diese Überraschung nicht am morgigen Abflugtag ereilte. Unterwegs beobachten wir beim Visitor Centre dann in unmittelbarer Nähe noch einen kleinen Bären, der im Schnee umher tobt – ein außergewöhnliches und spektakuläres Erlebnis für uns. Bereits einige Kilometer später wurde tatsächlich auch der Schnee an der Straße weniger. Für die letzte Nacht haben wir uns den Mountain View Campground kurz vor Calgary ausgesucht. Hier räumen wir den Camper auf und packen unsere Koffer – gar nicht so einfach auf diesem begrenzten Raum. Und schon war das Ende dieses wunderbaren Abenteuers gekommen. Unser Rückflug geht am Samstagnachmittag, so brechen wir vormittags zum Wohnmobilvermieter Fraserway auf. Nun müssen wir Abschied nehmen, wir haben unseren Camper schnell lieb gewonnen. Nachdem alles auf Vollständigkeit und intakte Beschaffenheit überprüft wird, teilt man uns dem nächsten Shuttle Richtung Flughafen zu. Dort haben wir jede Menge Zeit, um uns vor dem langen Flug noch einmal die Beine zu vertreten und kanadischen Whisky aus dem Duty Free Shop zu erwerben.

Das Fazit unserer knapp dreiwöchigen Reise. Es war absolut wunderbar. Unsere Erwartungen wurden schlicht übertroffen!