Unterwegs in Ontario – Herbstwälder, Weingüter und Städtereisen
Ontario im Oktober
Oktober 2023

Ontarios Herbstfarben

Text: Lars Haukenfrers

Endlich wieder Kanada! Und dann auch noch im Herbst, wenn die Wälder Kanadas in orange-roten Farbtönen erstrahlen. Zuletzt war ich 2019 in Kanada, während meines Auslandsjahres auf Vancouver Island. Ontario ist also komplettes Neuland für mich. Auf diesem Flug lernen wir alle zum ersten Mal die neueste Maschine der Condor-Flotte kennen, den Airbus A330 Neo. Der Flieger kommt im außergewöhnlichen grünen Streifenmuster daher und hat abgesehen davon im Inneren natürlich auch ein paar Neuerungen zu bieten.

Die Einreise in Toronto ist eine Sache von wenigen Minuten. Einmal den Pass scannen und sich von einer Fotosoftware aufnehmen lassen, dann ein paar Fragen zum Grund meiner Reise bei einer Mitarbeiterin des kanadischen Grenzschutzes beantworten und schließlich meinen kleinen Koffer vom Gepäckband holen. Das geht ruckzuck. Innerhalb von 15 Minuten sind wir eingereist und werden von Gaby Kotz von Destination Ontario herzlich in Empfang genommen, unserer Begleiterin auf diesem Trip. Mit dem Expresszug machen wir uns auf in die Innenstadt und erreichen gegen 19 Uhr Ortszeit (es ist für uns fast 2 Uhr morgens) schließlich das Chelsea Hotel, wo wir schnell unsere Zimmer beziehen und danach hungrig in den Gastrobereich des Hotels einfallen, wo man von Pizza bis Poutine alles findet, was das Herz begehrt. Für mich heißt das, erstmal wieder echte kanadische Poutine essen!

Am nächsten Morgen geht der Wecker schon um 6:45. Wir werden kurz darauf von Brian, unserem Guide von Destination Toronto, abgeholt. Wir spazieren zwischen dem alten und neuen Rathaus von Toronto hindurch zum Sheraton Centre, wo uns schon ein phänomenales Frühstück erwartet. Knusprig–krosser Bacon, würziges Rührei, Kartoffelspalten, sogenannte Homestyle Fries, dazu lokale Säfte. Lecker!

Zurück an unserem Hotel besteigen wir einen der Busse der Firma Luxury Coach für unsere Sightseeing Tour. Es geht durch die Viertel Yorkville, Chinatown und das malerische Univiertel. Wir kommen am Ufer des Lake Ontario vorbei und erhaschen einen ersten Blick auf den kleinsten der großen Seen. Das andere Ufer lässt sich nur erahnen. Beeindruckend, dass es noch viel größere Seen in Kanada gibt!

Kurz darauf erreichen den St Lawrence Market. In der alten Markthalle aus Backstein hat sich eine Vielzahl von Lebensmittelhändlern angesiedelt. Unsere Stadtführerin führt uns zu einem Stand, der eine besondere Spezialität Torontos verkauft: Peameal Bacon. Dieser besonders magere Rückenschinken wird mit Honig–Senf serviert und schmeckt hervorragend. Und natürlich dürfen Souvenirs auf so einer Reise auch nicht fehlen. Der kleine Souvenirladen am Eingang zum Markt kommt da gerade recht.

Als nächstes machen wir bei feinstem Wetter im Viertel "The Destillery" Halt. Wo im 19. Jahrhundert noch die größte Whisky-Distillerie der Welt stand, haben sich heutzutage zahlreiche Galerien und Restaurants angesiedelt. Im Hintergrund sieht man die Glasfassaden der Innenstadt aufragen. Selbst ich als Fotografie-Novize kann kaum genug bekommen von dem Zusammenspiel von Glas und rotem Backstein.

Beendet wird die Tour mit einem Besuch in der Hockey Hall of Fame, einem absoluten Muss für Hockey-Fans. Hier kann man den berühmten Stanley Cup aus nächster Nähe bestaunen. Neben der eindrucksvollen Trophäe beherbegt das Museum Unmengen an echten Hockey-Artefakten, darunter einen der ältesten Hockey-Stöcke, eine Sammlung der furchteinflößenden Torhüter-Masken und interaktive Spiele, bei denen man selbst die Rolle des Goalies oder des Torschützen einnehmen kann. Wirklich spannend, selbst wenn man so wie ich vorher keinen Bezug zu Hockey hatte.

Der krönende Abschluss des Tages ist schließlich das Dinner im 360-Grad-Restaurant auf der Spitze des CN Towers. Wer Höhenangst hat, sollte diesen Absatz jetzt besser überspringen. ;) Das Restaurant in 351 Metern Höhe dreht sich während der Mahlzeit nämlich einmal um sich selbst und bietet wunderbare Ausblicke über die Lichter der Stadt. Einen Glasboden gibt es natürlich auch, auch wenn mir doch etwas mulmig wird, als ich mich darauf stelle. Ein Glück, dass unter den Tischen kein Glasboden ist. So kann ich mein anschließendes 3-Gänge-Menü umso mehr genießen.

Am nächsten Morgen werden wir wieder mit einem Fahrzeug von Luxury Coach abgeholt und machen uns auf den Weg nach Süden in die Niagara-Region. Einen beträchtlichen Teil der Strecke führt die Straße in Sichtweite des Seeufers entlang und wir können einen Blick auf Torontos Skyline aus der Ferne werfen. Die Vorfreude steigt mit jeder Minute, schließlich sind die Niagarafälle eines der bekanntesten Highlights Kanadas.

Wow, was für ein Gefühl, wirklich an den Niagarafällen zu stehen. Schon bei unserer Ankunft in Niagara Falls sehen wir den Sprühnebel, der als weiße Wolke über der Stadt aufsteigt und stehen schließlich dort, direkt an den Fällen, die rechts von uns donnernd in die Tiefe rauschen. Gegenüber sehen wir auf amerikanischer Seite die American Falls. Es scheint zu nieseln, aber das ist bloß die Gischt, die vom Fuß der Fälle aufsteigt.

So spazieren wir die Promenade hinunter und genießen den Moment. Etwas weiter entfernt von den Fällen ist es wieder trocken und ich kann endlich die Kamera zum Einsatz bringen.

Den ersten Programmunkt des Tages stellt die Hornblower Cruise dar, bei der wir (in pinke Einweg-Regenponchos gehüllt ) mit dem Boot bis an den Fuß der Fälle herangefahren werden. Wirklich beeindruckend! Das Wasser tobt und spritzt rund um uns und wir werden trotz der Regenponchos ordentlich nass. Dinner gibt es danach im Table Rock Inn, das beim Essen einen wunderbaren Blick auf die Fälle ermöglicht.

In der Nähe befindet sich auch die stillgelegte Niagara Parks Power Station, die im frühen 20. Jahrhundert erbaut wurde. Das alte Wasserkraftwerk bietet neben einer Ausstellung mit der ehemaligen Technik der Anlage die Möglichkeit, durch einen geräumigen Tunnel bis zu einer Aussichtsplattform am Fuß der Fälle hinab zu wandern. Wirklich eine coole Erfahrung, so nah an die Fälle heranzukommen.

Danach erwartet uns ein weiteres Highlight: ein Helikopterflug über die Niagarafälle. Nördlich von Niagara Falls starten die Helikopter von Niagara Helicopters im Minutentakt zu ihrem rund 10-minütigen Flug ein Mal über die Fälle hinweg und zurück. Die Ausblicke sind grandios. Dieser Flug sollte meiner Meinung nach auf der To-Do-Liste jedes Ontario-Reisenden stehen!

Mittlerweile ist es Nachmittag geworden und wir brechen auf in Richtung Niagara-on-the-Lake, einer charmanten Kleinstadt am Ufer des Ontariosees. Für Weinliebhaber dürfte die Gegend rund um Toronto das reinste Schlaraffenland sein. Insbesondere am Südufer des Lake Ontario liegen die Weingüter der Niagara-Region, dicht an dicht reiht sich eins ans andere. Auf dem Weg entlang des Niagara Parkway liegt unser letzter Stopp des Tages, das Winetasting in der Reif Estate Winery. Sogar ich, der sonst gar keinen Wein trinkt, muss zugeben, dass die Weine wirklich hervorragend schmecken. Besonders der Weißwein und zum Schluss der süße Eiswein haben es mir angetan.

Wir lassen den Abend mit einem Dinner im Prime Steakhouse ausklingen. Direkt nebenan im Sheraton Fallsview werden wir die Nacht verbringen. Der Name ist Programm: von unserem Zimmer aus können wir die Fälle in ihrer ganzen Pracht sehen, die bei Nacht bunt angestrahlt werden. Aber immer der Reihe nach. Schließlich verdient das Steak im Prime es auch, besonders gewürdigt zu werden. Von all den hervorragenden Gerichten, die auf der Reise noch folgen sollten, war dieses unumstritten mein Favorit.

Als ich am nächsten Morgen aufwache, kann ich ein dumpfes Grummeln hören. Na klar, das sind die Niagarafälle. Das erste Morgenlicht wird also direkt für eine kleine Foto-Session aus dem Hotelzimmer heraus genutzt. Heute machen wir uns nach einem umfangreichen Frühstücksbuffet auf den Weg nach Peterborough nordöstlich von Toronto.

Hier wird gerade das neue Canadian Canoe Museum gebaut, ein Museumskomplex, der sich voll und ganz der Geschichte, Herstellung und dem Fahren von Kanus verschrieben hat. Das Museum besitzt insgesamt mehr als 600 Kanus, Kayaks und ähnliche Gefährte, die Besucher ab dem Frühjahr 2024 bestaunen werden können. Regelmäßig werden Kanubauer im Haus live an neuen Kanus arbeiten und Workshops anbieten, bei denen das eigene Paddel geschnitzt und dekoriert werden kann. Natürlich werden sich auch Kanutouren buchen lassen können, die vom Steg direkt hinter dem Museum starten. Für mich klingt das nach einem spannenden Konzept und ich bin schon auf das fertige Museum gespannt.

Je näher wir dem Algonquin Park kommen, desto intensiver werden die Farben. Wir fahren zuerst durch das Farmland nordwestlich von Toronto, das nach und nach Platz macht für das so genannte "Cottage County", ein Gebiet aus unzähligen kleinen und großen Seen, wo viele Bewohner Torontos ihre Wochenendhütten haben. Auch hier finden sich immer wieder Winzereien und wir legen einen spontanen Stopp ein: Auf einer der Winzereien findet gerade ein Erntedankfest statt. Es bieten zahlreiche lokale Händler Spezialitäten, Handwerk an und man fühlt sich kaum mehr wie ein Tourist in der familiären Atmopshäre. Später werden wir von unserer Gastgeberin für die Nacht abgeholt, die wir am Rice Lake im idyllischen Elmhirsts's Resort verbringen. Das Elmhirst's ist ein familiengeführtes Resort am Ufer des Rice Lake und besteht aus insgesamt 30 Cottages am Seeufer sowie dem Haupthaus mit Spabereich und Pool. Nach einer Tour über das Gelände und die Farm bleibt vor dem Abendessen gerade noch Zeit für eine kurze Fahrt mit dem Kanu auf dem See, während die Sonne langsam untergeht. Wirklich eine wunderbare Erfahrung.

Nach einem ebenso wunderbaren Abendessen und Marshmallows am Lagerfeuer bietet der nächste Morgen einen herrlich feurigen Sonnenaufgang. Für solch eine Fotogelegenheit verpasst man doch gerne das Frühstück!

Mit einem kurzen Zwischenstopp beim jährlichen Cranberry Festival in Bala, einem von nur zwei Cranberry-Anbaugebieten in Ontario, führt die Reise immer weiter Richtung Algonquin Park. Wir lassen das belebte Cottage County hinter uns und genießen die Ruhe des Herbstwalds. Der Wanderweg ist bedeckt von nassen Blättern in intensiven Orange-Tönen und obwohl wir den falschen Wanderweg erwischen und statt dem Weg zu einem Aussichtspunkt eine spontane Rundwanderung machen, wollen wir kaum wieder in den Bus steigen.

Die Kanutour, die für den Nachmittagangesetzt war, fällt leider wegen anhaltendem Nieselregen aus. Bei so einem Wetter will niemand aufs Wasser gehen. Aber das lässt sich im Herbst halt auch nicht unbedingt vermeiden. Ein Glück, dass ich am Elmhirst's Resort schon Kanufahren war.

Wir kommen am Nachmittag in Ottawa an und es erwartet uns direkt eine Food Tour über den Byward Market. Gutes Essen wird in Kanadas Hauptstadt groß geschrieben! Das gesamte Markt-Areal vereint kleine Restaurants aus allen Teilen der Welt: So essen wir erst Poutine und ein asiatisches Blumenkohlgericht, darauf folgen ein indischer Wrap, ein Taco und ein Stopp in einem Teeladen, gefolgt von Nachtisch in einer Cupkake-Bäckerei und als zweiter Nachtisch schließlich ein Beavertail, ein kanadischer frittierter Teigfladen mit Zimt und Zucker. Bei so viel leckerem Essen bleibt gar keine Hand mehr frei zum Fotografieren.

Gut gesättigt folgt kurze Zeit später noch das Highlight des Abends, das Biertasting mit Brewdonkey Tours. Wir werden in einem hopfengrünen Schulbus abgeholt und nach einem ersten Halt in einer lokalen Brauerei, wo jeder ein Craftbier seiner Wahl probieren kann, erreichen wir die zweite Brauerei, wo wir neben einem Tasting auch eine interessante Führung durch die Produktionshalle bekommen. Wirklich spannend!

Dass Kanada auch Burgen und Schlösser bieten kann, zeigt sich am nächsten Tag, an dem wir neben einem Ausblick auf das kanadische Parlament und das Château Laurier auch den malerischen Thousand Islands Nationalpark zu Gesicht bekommen: zuerst im Ausflugsboot und dann per Helikopter. Ich kann nur jedem diese beiden Touren ans Herz legen, die mitten ins Zentrum der Inselwelt hineinführen. Hier hat sich manch ein Millionär den Traum von der eigenen Insel erfüllt... eine davon auch mit eigenem Schloss

Den letzten Stopp auf unserer Reise durch das wunderschöne Ontario stellt Kingston dar. Die Stadt war Kanadas erste Hauptstadt und nahm 1812 in den Konflikten mit dem Nachbarn USA eine wichtige Rolle ein. Noch heute kann man das imposante Fort Henry besichtigen, das einst zur Verteidigung der Werften in der nahegelegenen Navy Bay erbaut wurde, und auf einem Hügel oberhalb der Stadt liegt. Das Militär spielt weiterhin eine große Rolle in der Stadt; hier liegen die Ausbildungsstätten des Royal Military College of Canada.

Am besten lässt Kingston bei einer Fahrt mit einem der historischen roten Trolley-Bussen erleben. Die Busse fahren entlang der wichtigsten Sehenswürdigkeiten wie Fort Henry, dem historischen Rathaus, durch das Villenviertel und vorbei am gruseligen Kingston Asylum, das besonders für Fans von urbanem Horror interessant sein dürfte. Außerdem führen die Touren auch über den Campus der Universität. Kingston ist eine belebte studentische Stadt. Die anerkannte Queen's University hat hier ihren Sitz, genauso wie verschiedene Colleges. So ist es auch nicht verwunderlich, dass es keinen Mangel an Nachtleben gibt.

Während der Tour sieht man immer wieder auffällige Gebäude, dicke runde Türme mit rotem Dach, die überall rund um Kingston zu finden sind. Auch diese sogenannten Martello-Türme waren zur Verteidigung der Stadt gedacht und verbargen unter den roten Dächern schwere Geschütze.

Von Kingston sind es schließlich nur noch ca. 3 Stunden Fahrt zurück nach Toronto, wo unsere Reise leider zu Ende geht. Doch bevor wir von unserem von unserem Fahrer am Flughafen abgesetzt werden, hat dieser noch ein letztes Highlight auf Lager. Wir kommen an einen Fluss und sehen schnell, warum wir hier halt gemacht haben. Im Fluss sieht man immer wieder Flossen und graue Körper, die sich flussaufwärts bewegen. Die Lachswanderung ist in den letzten Zügen. Auch das habe ich noch nie gesehen.

Schlussendlich müssen wir uns aber auf den Weg zum Flughafen machen und auch schon bald Kanada wieder Lebewohl sagen. Tschüss Kanada, es war mal wieder schön!