Faszination Yellowhead Hwy British Columbia - Kanada Wohnmobil

Faszination Yellowhead Highway
Beitrag zum Textwettbewerb 2022
Autor: Robert Linden

Faszination Yellowhead Highway – Moricetown am Witset Canyon

Noch 5 km, dann sind wir da. Die Nacht zuvor haben wir im Tyhee Provincial Park Campground verbracht. Die morgendliche Sonne weckte langsam den verschlafenen und vollen Campground. Mich zieht es zum Lake Tyhee. Nebelschwaden lösen sich in den ersten Sonnenstrahlen auf und der See zeigt sich spiegelglatt, umrahmt von bewaldeten Hügeln. Entfernt zieht ein Weißkopfseeadler seine Runden und die wenigen Wildgänse geniessen die erste wohltuende Wärme. Mit einem kühlem Sprung in das Wasser bin ich nun alleine mit mir und der Natur. Unfassbar schön. Die Gedanken verschmelzen in der Stille und dem klaren Wasser. Ich will immer weiter, aber das Frühstück ruft. Die Sonne nimmt an Kraft zu und wir können draussen frühstücken. Ein warmer Kaffee weckt die Lebensgeister und wir freuen uns auf einen schönen Tag.

Der Truck Camper ist bald fertig gepackt und wir fahren nach Smithers. Am Visitor Center laden wir schnell noch über den Internetzugang einige Bilder für unsere Familien hoch und weiter geht die Fahrt Richtung Norden.

Jetzt muss bald Moricetown kommen. Das Strassenschild am Yellowhead Highway 16 deutet auf 5 km. Hier am Bulkley River bildet eine umspülte Felsformation den Eingang zu dem Witset Canyon. Die Felsen bilden einen Engpass, sodass sich aus dem ruhigen Fluss kräftige und reissende Stromschnellen in den Canyon ergiessen. In Zeiten der Lachswanderung sammeln sich hier die Pink Salmon vor dem anstrengenden Hindernis. Diese günstige Gelegenheit nutzen die dort ansässigen First Nations, die hier die Fangrechte in ihrem Wohnort haben.

Vor uns öffnet sich die Ebene und ich sehe eine Hütte und einen Parkplatz auf uns zukommen. Salmon for Sale, steht auf einem handgeschriebenen Schild. Ich steuere den Parkplatz an und wir blicken direkt auf die Stromschnellen hinab. Unten stehen, eher abenteuerlich,  provisorische Zelt-Pavillons. Zwei Männer stehen angeseilt direkt an den steilen Felsufern und halten lange Stangen in das tosende Wasser. Ein kurzer Ruck und die Stange wird herausgezogen. Am Ende baumelt ein Netz mit 2 Lachsen. Der Mann prüft die Grösse der Lachse und entlässt kleinere wieder in den Fluss. Die grösseren Lachse werden an zwei weitere, herbeigeeilte Träger mit Tragetaschen, die wie kleine Bahren aussehen, übergeben. Im Laufschritt geht es zu einem Pavillon, wo zwei Frauen die Lachse in Empfang nehmen und den finalen Schlag setzen. Die Lachse werden anschließend für den Weitertransport in mehrere Eimer gelegt. 

Wir können uns kaum loseisen, so fasziniert sind wir von dem Treiben. Immer wieder aufs Neue werden die Stangen aus dem Wasser gezogen. Zum Glück stehen die Männer gut gesichert auf den rutschigen Felsen. Ein Abrutschen in die tosenden Stromschnellen mit Strudeln und den umspülten Felsen würde sicherlich den Tod bedeuten. 

Wir reißen uns los uns und gehen zur kleinen Holzhütte und wollen einen Lachs mitnehmen. Die freundliche alte Frau begrüsst uns mit einem herzerwärmenden Lächeln. Die vordere Reihe der Zähne fehlt, was das Lächeln noch verstärkt. Wir fragen nach einem Lachs. Freundlich entgegnet sie, dass alles ausverkauft ist und jetzt Mittagspause ist. In 30 Minuten würde es weiter gehen. Wir sind ein wenig konstaniert. Zum einen, weil ständig Lachse herausgefischt werden und zum anderen das Wort Mittagspause für kanadische Verhältnisse doch eher ungewöhnlich ist. 

Leicht enttäuscht schlenderten wir wieder Richtung Parkplatz. Und tatsächlich unterbrachen alle an den Stromschnellen die Arbeit und setzten sich in die Pavillons. Tatsächlich Pause. Die Kundschaft wartet, aber egal.

Die Aussicht auf einen frischen Lachs lässt auch uns warten. Wir nutzen die Zeit zu einem kurzen Stopp an der nur 200 Meter weiter liegenden Tankstelle und holen uns einen frischen Kaffee. Nach 30 Minuten sind wir zurück und tatsächlich wird die Arbeit wieder aufgenommen. Und das alles ohne Stempelautomat. Nach kurzer Zeit sind vier grosse Eimer mit Lachsen gefüllt und ein Allrad Quad wird herbeigerufen. Mühsam und langsam quält sich das Quad den Hang hinab. Stark schaukelnd über die Felsen und Schlaglöcher. Die Eimer werden in einen grossen Kübel auf den Quad umgeladen und sofort geht es bergauf Richtung Verkaufshütte zu unserer freundlichen alten Dame.

Oben angekommen steigt der Fahrer aus dem Quad und zieht sich seinen Fahrradhelm aus. Auch hier geht Sicherheit ein wenig vor. Langsam und mit Bedacht nimmt er einzeln die Lachse aus dem Kübel und befüllt eine weitere Kiste vor der Hütte. Jetzt wird es dauern. In dem Kübel auf dem Quad liegen bestimmt 50 Lachse. Quasi in Zeitlupe wird umgeladen. Hinter uns sind weitere potentielle Kunden aus aller Welt angekommen und betrachten das entschleunigte Schauspiel. Irgendwann platzte aber jemand der Kragen und packt den ganzen Kübel an. Mit vereinten Kräften wurde der Kübel vom Quad gehoben und in die anderen Kisten umgefüllt. Die ältere Dame fing an die Lachse mit Eis zu bedecken. Keine Ahnung wo das Eis jetzt herkam, aber die Organisation war schon durchdacht. Jeder hatte seine Aufgabe.

Jetzt aber wurden wir nervös. Schnell zugreifen, bevor die internationale Meute uns zuvorkommt. Eine Schweizerin, die direkt hinter mit steht, ist quasi entsetzt, weil die Lachse noch nicht ausgenommen waren. Dafür steht aber der Preis auf einem handgeschriebenen Zettel. 10 Dollar für einen Pink Salmon.

Sicherheitshalber fragen wir nach, ob der Preis sich nicht auf ein Pfund bezieht. Nein, entgegnet die ältere Dame mit ihrem herzerwärmenden Lächeln. Der Preis gilt für den ganzen Lachs von 4 kg. Das wäre jetzt mal wirklich ein Schnäppchen. Von hinten kommt nur ein Spruch, dass ich mich um das Ausnehmen des Lachses zu kümmern habe. Na klar, war meine Antwort. Ich habe mir im Vorfeld einige Youtube Tutorials angeschaut. Mein „Wird schon klappen“ wird mit einem Augenrollen und „ Na Prima“ beantwortet. Die 10 $ wechseln den Besitzer und wir bekamen tatsächlich auch noch eine Quittung. Top organisiert. Ohne Fishing Licence wäre der Nachweis bei einer Nachfrage der Behörden auch schwierig geworden.

Wir packten den Lachs in den Kühlschrank unseres TruckCampers und machten uns wieder auf den Weg. Das heutige Ziel ist der Meziadin Provincial Park Campground. Wir fuhren noch über weitere Brücken und sahen mächtige und rotgefärbte Lachse. Kurz vor dem Campground hoppelt noch ein Schwarzbär über die Strasse. Weltklasse.

Ich fragte den Campground Host nach einer Stelle, wo ich den Lachs säubern und ausnehmen könnte. Er fragte nochmals nach, ob der Lachs wirklich noch komplett wäre, und das das reichlich blöd von mir wäre, weil ich beim Kauf wohl nicht aufgepasst hätte. Klar, hilft mir aber nicht weiter, stellte ich fest. Also, es gibt keine Fischsäuberungsstelle auf dem Campground, sagte der Host. Das war dann eher unglücklich, weil der See auch sonst zum Angeln eingeladen hat. Ich könnte aber zur Boot-Anlegestelle gehen und den Fisch dort ausnehmen. Die Abfälle sollte ich weit in den See werfen und nicht in den Wald, wegen der Bären. Der Host grinste vor sich hin, als er sagte, also nur die Abfälle in den See und nicht den Lachs. Ist klar, konnte er in meinen Augen sehen. Scherzvogel. 

Ich packte alle Messer, die wir zur Verfügung hatten. Die Truck Camper Ausstattung ist in der Regel nicht auf das Filettieren von Lachsen ausgelegt, sodass ich auch das grosse Brotmesser mitnahm. Und es klappte soweit ganz gut. Ich habe das Optimum zwischen Youtube Tutorials und den nicht richtigen Messern herausgeholt und wunderschöne Filets herausgelöst. In höchster Konzentration packte ich die Abfälle und nicht die Filets und warf sie weit weg von der Anlegestelle in den See.

Das Feuer war schnell entfacht und die Filets landeten auf dem Grillrost. Über den Flammen einer kanadischen Kiefer wurden sie auf den Punkt gegart. Es war ein unfassbar toller Geschmack. Keine Gewürze. Purer Fischgeschmack, kaum 5 Stunden alt. Der Tag endete mit einem Sonnenuntergang am See und tollen Erlebnissen an einem weiteren wunderschönen Kanada-Tag.